Liebe Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und Heteros, liebe Freundinnen und Freunde des Kieler Cristopher Street Days,

vor 40 Jahren antworteten die Besucher des New Yorker Schwulenclubs „Stonewall Inn“ auf eine Polizeirazzia mit Demonstrationen. Sie versammelten sich vor ihrem Lokal in der Christopher Street und protestierten gegen die täglichen Diskriminierungen und den gesellschaftlichen Druck, die eigene sexuelle Orientierung verheimlichen zu müssen. Sie wollten ein Ende der Angst, der Unterdrückung und der Peinigung.

Konstantin von Notz redet auf dem CSD in Kiel.

Konstantin von Notz redet auf dem CSD in Kiel.

Dem Mut von Millionen Schwulen und Lesben seither, öffentlich für ihre Rechte und Anerkennung zu streiten, ist es zu verdanken, dass unsere Gesellschaft offener und toleranter geworden ist und Realitäten in Deutschland verändert werden konnten.

In anderen Ländern sind wir leider noch nicht soweit. Ich denke vor allem an die jährliche Christopher Street Day Parade in Moskau, an der man nur unter Gefahr für Leib und Leben teilnehmen kann. Und Russland ist längst nicht das einzige Land, in dem Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung mit Repressionen rechnen müssen. Diesen Menschen gehört unsere volle Solidarität.

Noch immer sind aber auch in Deutschland nicht alle Bereiche des täglichen Lebens für Lesben, Schwule und Transgender geöffnet. Noch immer gehören leider Widrigkeiten, Schikanen oder Benachteiligungen zum Alltag und noch immer gibt es auch in unserem Land genug zu tun.

Und deshalb ist es richtig, dass der diesjährige Kieler CSD die Erweiterung des Gleichheitsartikels (Artikel 3) im Grundgesetz um die sexuelle Identität fordert.

Zwar sagen viele im Augenblick: Ja, ja das ist eine spannende Diskussion, aber es kommt doch vor allem auf die kleinen Schritte an. Wie heben wir im täglichen Leben das „wir“ und das „ihr“ auf? Was können wir leisten, um die Selbstverständlichkeit des Miteinanders, die Selbstverständlichkeit der Unterschiede in die Köpfe und die Herzen der Menschen zu bringen?

Und es stimmt: Diese Schritte müssen endlich gegangen werden!

Aber nichts desto trotz: Eine wirkliche, eine gesicherte, eine allgemeinverbindliche Gleichstellung kann es nur geben, wenn auch die rechtlichen Bedingungen dafür geschaffen werden.

Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben den Gleichheitsartikel unter dem Eindruck der Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Unrechtsregimes geschrieben. Der Gleichbehandlungskatalog ist die Antwort auf die nationalsozialistische Selektions- und Verfolgungspolitik. Er ist geprägt von der Erkenntnis, dass die Menschlichkeit insgesamt gefährdet ist und Barbarei droht, wenn auch nur einer gesellschaftlichen Gruppe die gleichen Grund- und Menschenrechte streitig gemacht werden.

Dennoch hatte man bei der Schaffung des Grundgesetzes 1949 zwei Gruppen ausgespart: die Behinderten und die Homosexuellen. Die Behinderten wurden im Rahmen der Verfassungsreform nach der deutschen Einheit 1994 endlich aufgenommen. Für die Aufnahme der Lesben und Schwulen fand sich damals noch keine ausreichende Mehrheit.

Es ist nun Zeit für einen neuen Anlauf. Angesichts der Verfolgungsgeschichte der Homosexuellen im Dritten Reich, aber auch im Nachkriegsdeutschland der 50er und 60er-Jahre muss unsere Verfassung auch Schwulen, Lesben und Transgendern gleiche Rechte garantieren. Hierfür möchte ich mit Euch zusammen kämpfen.

Das schwul-lesbische Leben gehört nicht an den Rand der Gesellschaft, sondern ist ein wichtiger Teil von ihr. Mittendrin statt nur dabei. Und deswegen gehört ein klares Statement gegen Ausgrenzungen jeder Art und für die Freiheit, andere anders sein zu lassen, in unsere Verfassung.

Mit den Grüßen der schleswig-holsteinischen Grünen wünsche ich uns allen einen tollen Christopher Street Day!

Vielen Dank!