250. Sitzung, 27.06.2013, TOP 51:

Das sogenannte „Sommer unseres Lebens“-Urteil des Bundesgerichtshofs aus Mai 2010 hat für eine erhebliche Rechtsunsicherheit gesorgt. In seinem Urteil vertritt der BGH die Auffassung, dass der Betrieb eines offenen WLAN grundsätzliche eine Gefahrenquelle für Rechtsverletzungen durch Dritte darstellt. Demjenigen, der ein WLAN betreibt, legt das Gericht gewisse Pflichten zu dessen Sicherung auf, um hierdurch Rechtsverstöße zu vermeiden. Unterbleiben diese vom Gericht geforderten Sicherungsmaßnahmen, so greift die sogenannte „Störerhaftung“, um die es hier heute erneut geht.

Die Verunsicherung nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist groß. Da fuhren Betreiber von Straßencafes ihr Angebot freier WLAN-Netze zurück und Hotelbetreiber erkundigten sich verunsichert, wie ihre Netze denn nun angemessen zu schützen seien. Menschen, die bislang ihren Nachbarn oder Passanten ihr eigenes WLAN-Netz zur Verfügung stellten, zogen es vor, dies zukünftig nicht mehr zu tun. Der Handlungsbedarf war offensichtlich.

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit diskutieren wir daher intensiv, die Frage, wie der eigentlichen Intention des Gesetzgebers wieder Geltung verschafft werden kann und die im Telemediengesetz (TMG) vorgesehenen Privilegierungen so ausgeweitet werden können, dass zukünftig auch die oben genannten Kreise ihre Netze Dritten zur Verfügung stellen können, ohne sich auf rechtlich unsicheres Terrain begeben zu müssen.

Kritiker des Urteils des BHG verweisen seit langem darauf, dass sich der Gerichtshof in seinem Urteil nicht mit den einschlägigen Paragraphen des TMG, den Paragraphen 8, beschäftigt hat. Die Ausblendung der dort vorgesehenen Privilegierung durch den Gerichtshof sei vor allem aus dem Grund nicht nachvollziehbar, da es sich im Zuge der Bereitstellung eines WLAN lediglich um eine Durchleitung, nicht aber die Speicherung von Informationen bzw. Daten Dritter handle, wodurch auch der Betreiber eines privaten WLAN durchaus als Access-Provider angesehen werden könne, auf den dann folgerichtig die gleiche Privilegierung Anwendung finden müsse.

Durch dieses Versäumnis des Bundesgerichtshofs sei ein ursprünglich weder im Telemediengesetz noch in der sogenannten „E-Commerce-Richtlinie“ der Europäischen Union vorgesehenes Ungleichgewicht zwischen gewerblichen und privaten Anbietern im Vergleich zu kommerziellen Internetprovidern entstanden. Das alles ist bekannt.

Genauso bekannt ist, darauf hatte ich bereits verwiesen, dass das „Sommer unseres Lebens“-Urteil zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit bei den Betreibern öffentlicher WLAN-Netzwerke geführt hat und der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, die ursprüngliche Intention des Telemediengesetzes wieder Geltung zu verschaffen, groß ist. Um es den Betreibern von Internetcafés und Hotels, aber zum Beispiel auch der Freifunkgemeinde, zu erlauben, anderen Personen auch weiterhin Zugang zu ihren WLAN-Netzwerken anzubieten, erscheint es dringend angeraten, die durch das Urteil hervorgerufene Rechtsunsicherheit zu beheben und die ursprünglich vorgesehene Gleichbehandlung von gewerblichen und privaten Anbietern mit kommerziellen Internetprovidern wieder herzustellen. Hierzu liegen seit nunmehr mehreren Jahren etliche Aufforderungen in Richtung der Bundesjustizministerien vor. Die Ministerin selbst hat den Handlungsbedarf ganz offenkundig ebenfalls erkannt und in dieser Legislatur mehrfach in Aussicht gestellt, im Zuge des „3. Korbs“ der Urheberrechtsnovelle eine entsprechende rechtliche Klarstellung vorlegen zu wollen. Geschehen ist nichts.

Obwohl entsprechende Aufforderungen der Justizministerkonferenz, verschiedener Landesparlamente, des Bundesrats und mehrerer Fraktionen dieses Hauses seit langem vorliegen, und alle das selbe Ziel verfolgen, nämlich die zuständige Bundesjustizministerin dazu zu bewegen, hier endlich für Rechtsklarheit zu sorgen, ist nichts passiert. Es wäre die Aufgabe der Justizministerin gewesen, nach dem „Sommer unseres Lebens“-Urteils des Bundesgerichtshofs die geltende Gesetzeslage so zu präzisieren, dass das Potenzial der zahlreich vorhandenen WLAN-Netze stärker gesellschaftlich nutzbar gemacht werden kann. Die sich hierdurch ergebenden Chancen wurden vergeben. Die liberale Verweigerungshaltung ist auch vor dem Hintergrund, dass die FDP nun in ihrem gerade vorgelegtem Wahlprogramm schreiben, dass sie sich für eine Änderung der Betreiberhaftung einsetzen würden, um so „mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen“, vollkommen unverständlich. Meine Damen und Herren von der FDP, hierzu hatten Sie eine ganze Legislatur Zeit. Ihre Ministerin hat nichts vorgelegt, nicht einmal einen Referentenentwurf. Versuchen Sie doch jetzt nicht, die Menschen für dumm zu verkaufen.

Obwohl der Bundesrat die Ministerin gerade noch einmal, rechtzeitig vor Ende der Legislatur, aufgefordert hatte, zu prüfen, inwieweit das Haftungsrisiko für WLAN-Betreiber, z. B. indem die Haftungsbeschränkung für Access-Provider gemäß § 8 TMG auf andere WLAN-Betreiber erstreckt wird, beschränkt werden kann, ist rein gar nichts geschehen. Dabei wäre eine solche Klarstellung wirklich überfällig gewesen. Dass es hier letztendlich noch nicht einmal, trotz mehrfacher anderslautender Ankündigungen, gewagt wurde, einen Referentenentwurf vorzulegen, lässt tief blicken und zeigt noch einmal sehr deutlich, wie vergiftet das Klima in dieser Legislatur zwischen den Koalitionspartnern war.

Zu dem nun vorliegenden Antrag der SPD habe ich das Wesentlich bereits in der ersten Lesung gesagt. So begrüßenswert der Antrag seiner Intention nach auch ist, so fachlich schlecht ist er leider gemacht. In Ihrer Initiative, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, wird die Bundesregierung „zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit und unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien“ aufgefordert, „Schutzmaßnahmen, die die Betreiber von WLAN-Netzen zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit für unbefugte Nutzung durch Dritte“ zu ergreifen haben, so „zu konkretisieren, dass Betreiber bei Erfüllung dieser Anforderungen ihre WLANs ohne Haftungs- und Abmahnungsrisiken betreiben können“. Was genau Sie unter „technischen Maßnahmen“ oder „Zumutbarkeitskriterien“ verstehen, bleibt indes leider unklar und wird von Ihnen leider nicht weiter ausgeführt.

Wenn wir die Intention Ihrer Initiative, die Rechtssicherheit für Anbieter von WLAN-Netzwerken zu erhöhen, auch begrüßen, so fragen wir uns doch, ob Ihnen die möglichen Auswirkungen ihrer Formulierungen bei einer – ob nun bewusst oder unbewussten – falschen Auslegung im Klaren sind. Hierdurch, aber eben auch dem Umstand geschuldet, dass wir mittlerweile ganz erhebliche Zweifel haben, dass eine erneute Formulierung von Prüfbitten in Richtung einer schwarz-gelben Bundesregierung, die ihren Unwillen tätig zu werden doch längst zu Protokoll gegeben hat, tatsächlich zielführend ist, erscheint uns zumindest fraglich, ob die Initiative letztendlich ihr eigentliches Ziel, einen Beitrag zur Verminderung der Rechtsunsicherheit für private und gewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen und einen verbesserten Zugang für Dritte, tatsächlich zu leisten im Stande ist.

Nun kann man sicher die Meinung vertreten, dass eine weitere Aufforderung in Richtung Bundesregierung auch nicht schaden kann, in diesem Fall haben wir da aber unsere erwähnten Zweifel. Erstens wollen wir es vermeiden, dass durch unklare Rechtsbegriffe Dosen geöffnet werden, die lieber verschlossen bleiben sollten und zweitens wissen wir doch alle, dass diese Bundesregierung, die im Bereich des Urheberrechts rein gar nichts auf den Weg gebracht hat, die den „3. Korb“ längst abgeblasen hat, auch hier keine Regelung mehr vorlegen wird.

Wir halten, auch das haben wir in diesem Haus schon zum Ausdruck gebracht, das Thema, die Frage, wie es gelingt, gemeinsam eine Regelung vorzulegen, die im Stande ist, die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und so für einen tatsächlich besseren Zugang zum wichtigsten Kommunikationsraum unserer Zeit sorgt, bei allem Verständnis für den nun tatsächlich beginnenden Wahlkampf für zu wichtig, um hier anhand einer solch unkonkreten Vorlage in der letzten Sitzungswoche dieser Legislatur durchzuwinken.

Und daher sage ich im Namen meiner Fraktion und in der Hoffnung, dass ich hiermit auch in den anderen Fraktionen auf Zustimmung treffe, dass es unser aller Anliegen sein sollte, dieses Thema gleich zu Beginn der nächsten Legislatur, ganz egal wer dann regiert, gemeinsam ganz oben auf die Agenda zu setzen und anhand einer konkreten Gesetzesvorlage zu diskutieren. Eine solche Gesetzeslage liegt ja bereits in Form einer konkreten Ausarbeitung der „Digitalen Gesellschaft“ vor. Diese Initiative aus der Mitte der Zivilgesellschaft begrüßen wir ausdrücklich und finden, auch das sagen wir hier gerne noch einmal in aller Deutlichkeit, absolut nichts Verwerfliches daran, eine solche Vorlage als Diskussionsgrundlage zu nehmen – ganz im Gegenteil.

Ziel ist und bleibt, privaten Nutzern, aber auch Betreibern von Cafés und Geschäften sowie Freifunk-Initiativen die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Netze anderen Personen zur Verfügung stellen zu können, ohne dabei weitreichende Haftungsrisiken in Kauf nehmen zu müssen. Die haftungsrechtliche Gleichstellung von Bürgerinnen und Bürgern und Gewerbetreibenden mit kommerziellen Internetprovidern ist überfällig.

Vielen Dank!