Zu den Äußerungen des schleswig-holsteinischen Innenministers Breitner zur Vorratsdatenspeicherung erklärt der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Dr. Konstantin von Notz:

Durch ihre Verständigung auf die Vorratsdatenspeicherung haben die Kolleginnen und Kollegen von Innenminister Breitner auf Bundesebene jeden bürgerrechtlichen Anspruch an der Garderobe des Regierens abgegeben. Scheinbar will ihnen Kollege Breitner nun nacheifern. Seine von ihm in den letzten Tagen offenbarte Unkenntnis der Fachdiskussionen der vergangenen Jahre überrascht.

Innenminister Breitner vergisst scheinbar auch, dass er mit am Verhandlungstisch saß, als sich SPD, Grüne und SSW auf eine deutliche Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung verständigt haben. Dies aus gutem Grund: Die Vorratsdatenspeicherung stellt einen rechtsdogmatischen Dammbruch dar – egal ob Daten für drei oder sechs Monate gespeichert werden. Sie stellt die Bürgerinnen und Bürger unter einem unserer Rechtsordnung fremden Generalverdacht.

Artikel 10 Grundgesetz Post- und Fernmeldegeheimnis

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Der Nutzung für die Strafverfolgungsbehörden geht gegen Null, das hat das Max-Planck-Institut vor Jahren empirisch belegt. Die Zahl der Straftaten, die zusätzlich aufgeklärt wird, liegt im Promillebereich. Weder den Befürwortern auf bundesdeutscher Ebene noch der EU-Kommission ist es trotz mehrjähriger Bemühungen bis heute gelungen, etwas anderes zu belegen. Genau aus diesem Grund wird immer wieder in höchst fragwürdiger Weise mit dem Einzelfall argumentiert. Dass Andres Breitner nun diese Vorgehensweise unhinterfragt übernimmt, ist entlarvend. Der Einzelfall, das sollte der Innenminister wissen, ist der denkbar schlechtesten Ratgeber des Gesetzgebers, der immer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung sehr deutlich vor einem „diffusen Gefühl des Beobachtetseins“, das Gift für jeden Rechtsstaat ist, gewarnt. Es hat dem Gesetzgeber den Auftrag mitgegeben, endlich eine „Überwachungsgesamtrechnung“ aufzumachen. Wie diese Gesamtrechnung im Lichte des derzeitigen  Überwachungs- und Geheimdienstskandal aussehen würde, ist eine spannende Frage, die vom höchsten deutschen Gericht voraussichtlich erneut zu klären sein wird. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich in wenigen Wochen mit diesen Fragen beschäftigen. Sein Urteil zur grundsätzlichen Vereinbarkeit der Datenspeicherung mit geltendem EU-Grundrecht wird von der Fachwelt mit Spannung erwartet.

Auch all die guten Argumente gegen eine Vorratsdatenspeicherung, die in aller Ausführlichkeit erst vor wenigen Tagen im Landtag diskutiert wurden, scheint Innenminister Breitner vergessen zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass seine bürgerrechtliche Amnesie nicht allzu lange anhält.