14. Sitzung, 13.02.2014, TOP 8:

Die Rede kann hier als Videomitschnitt angeschaut und hier nachgelesen werden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Als nächsten Redner rufe ich auf Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit der Erkenntnis ist vorbei; die hatten wir in der 17. Wahlperiode. Viele der jetzt diesem Ausschuss zugehörigen Abgeordneten und die 17 Sachverständigen haben das Defizit des Bundestages in Sachen Internet und Digitalisierung in drei Jahren mit viel Fleiß behoben. Herausgekommen sind 400 Handlungsempfehlungen, viele davon wurden hier fraktionsübergreifend beschlossen, zwei von ihnen waren von zentraler Bedeutung.

Die erste zentrale Handlungsempfehlung war, für eine bessere Koordinierung der Netzpolitik auf Regierungsebene zu sorgen. Diese Empfehlung entstand aus der -Erkenntnis, dass die Arbeit praktisch auf allen netz-politischen Großbaustellen der letzten Jahre – die Breitbandversorgung, die Netzneutralität, das Urheberrecht, der Datenschutz und vieles mehr – aufgrund des Zuständigkeitsstreits der in großer Zahl beteiligten Ministerien liegengeblieben ist. Was hat die Große Koalition aus dieser guten Handlungsempfehlung gemacht? Statt sich um die erforderliche Koordination und Themenbündelung zu kümmern, wurde ein weiteres Ministerium, das Verkehrsministerium, für zuständig erklärt. Das führt dazu, dass man nun immer – Achtung, Herr Dobrindt, jetzt wird es interessant – wenn man kein Netz hat, an die CSU denkt: mit Laptop und Lederhose, aber leider ohne Netz. Dieses Zuständigkeitspotpourri ist inkonsequent und ungenügend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die zweite zentrale Handlungsempfehlung lautet, einen ständigen Vollausschuss im Bundestag einzurichten. In der Enquete-Kommission hatten wir das Problem erkannt, dass der Unterausschuss Neue Medien zwar hochinteressante Aufgabenfelder, aber für kein Thema die Federführung hatte. Heute setzen wir einen Vollausschuss ein, aber wieder ohne federführende Zuständigkeit, nicht einmal für ein einziges Thema. Das wird nicht reichen, um die Netzpolitik angemessen in diesem Parlament zu verankern.

Sie haben selbst im Dezember letzten Jahres gemerkt, dass es so eben nicht geht. Deswegen haben wir den Ausschuss nicht zusammen mit den 22 ständigen Ausschüssen eingesetzt. Sie haben es sträflich versäumt, dieses Problem in den Koalitionsverhandlungen entschieden anzugehen. Dieses Versäumnis war in den letzten zwei Monaten nicht mehr heilbar. Wenn Sie schon bei der Umsetzung dieser zwei zentralen Handlungsempfehlungen nichts hinbekommen, dann sehe ich, ehrlich gesagt, auch bezüglich der 398 anderen schwarz-rot.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Ha, ha!)

Der Kollege Koeppen – erst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt; ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit –

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das wird sich erst herausstellen!)

hat vor wenigen Wochen gesagt, der Ausschuss solle dazu dienen, die netzpolitische Debatte zu entideologisieren. Ich gehe davon aus, dass dies vor allem an den Kollegen Heveling gerichtet war. Ich nenne Stichworte, die er benutzt: „Kampf um Mittelerde“ und „Digitales Blut muss fließen“. Insofern ist „Entideologisieren“ immer total richtig.

Aber Ihrer Kernthese von der „Nische“, Herr Koeppen, die heute Morgen über den Ticker lief, widerspreche ich. Ich mahne Differenzierung an. Das Internet und die Digitalisierung sind sicherlich von überragender Bedeutung für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft und im Hinblick auf die NSA-Affäre auch für die Zukunft unseres Rechtsstaates. Aber es geht doch nicht darum, diesen Bereich aus der Nische herauszuholen. Das ist gesellschaftlich längst passiert. Es geht darum, ihm in diesem Parlament einen der Wirklichkeit entsprechenden Platz zu verschaffen. Aber dafür ist der Ausschuss, den Sie hier einrichten, leider zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Warum ist Ihnen das nicht gelungen? Es ist Ihnen nicht gelungen, weil in Ihren Fraktionen die Netzskeptiker und -gegner – ich sehe Herrn Kauder gar nicht mehr; eben war er noch da – in der Mehrheit sind. Die wollen eben keinen netzpolitischen Ausschuss mit Relevanz in diesem Hohen Hause. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Kollege Grosse-Brömer, lässt sich mit den Worten zitieren, der Ausschuss biete die Möglichkeit, auch mal grundsätzlicher zu diskutieren – grundsätzlicher! Das reicht angesichts der historischen Bedeutung nicht, um weiche Knie zu bekommen.

(Sören Bartol [SPD]: Das ist aber wenig selbstbewusst!)

Das gibt die Richtung vor. Das ist gegenüber den Sachverständigen und Abgeordneten, auch gegenüber den Abgeordneten der Union und der SPD, eine Unverschämtheit im Hinblick auf die Arbeit, die wir in den letzten drei Jahren geleistet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Dass Sie sich das gefallen lassen, ist ein Armutszeugnis.

Zum Schluss eine Bemerkung zum Titel. Nach dem fraktionsübergreifend verabschiedeten Wunsch des Parlaments – dafür haben auch Sie gestimmt – sollte dieses Gremium „Ausschuss für Internet und digitale Gesellschaft“ heißen. Danach haben Sie „Gesellschaft“ herausgestrichen. Nun sprachen Sie vom Ausschuss „Internet und Digitale Agenda“ – AIDA. Nun ja. Nun wurde auch das Wort „Internet“ wegrationalisiert. Der Ausschuss bekommt den Wirtschafts-PR-Namen „Digitale Agenda“. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Digitale Wirtschaft ist wichtig – da stimme ich völlig zu, Kollegin Schön –, aber das ist in der Reduzierung eben nicht korrekt. Geholfen haben Sie dem Thema mit dieser Namensschrumpfkur nicht. Wir werden der Einsetzung dieses Ausschusses dennoch zustimmen, weil ein Ausschuss besser ist als kein Ausschuss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Kommen Sie bitte zum Ende.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Kein Ausschuss ist nicht besser als dieser Ausschuss. Wir werden weiter Initiativen voranbringen, konstruktiv mitarbeiten

(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Ich werde es beobachten!)

und die Umsetzung bekannter Handlungsempfehlungen und neuer Ideen vorantreiben. An uns wird die Netzpolitik in dieser 18. Wahlperiode auf jeden Fall nicht scheitern.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Danke, Herr Kollege von Notz.