Die Debatte um ein Fracking-Verbot verunsichert weiterhin zahlreiche betroffene Regionen in Deutschland. Denn bei dieser Energieförderung werden mit einem Chemie-Wasser-Cocktail unterirdische Lagerstätten aufgesprengt – verschmutztes Grundwasser, seismische Störungen und verschandelte Flächen sind nur einige der möglichen Begleiterscheinungen. Erst hatten intransparent erteilte Sondierungslizenzen, die so genannten Aufsuchungserlaubnisse, vom Bodensee über Schwarzenbek bis Nordfriesland für einen Proteststurm von Bürgerinitiativen, Mineralbrunnen-Betreibern, Grünen und selbst einigen lokalen CDU-Abgeordneten gesorgt.

Daraufhin verzögerte Schwarz-Gelb eine klare Reglung bis nach die Bundestagswahlen und auch die große Koalition schien diese unangenehme Frage vertagen zu wollen. Solange der zuständige Bundesgesetzgeber aber untätig blieb, mussten die Länder in einer unklaren Rechtslage mit Verfahrenstricks ein wackliges De-Facto-Moratorium improvisieren. Denn bis dato gilt hier das völlig veraltete Bergrecht, das bis heute die Nachkommen der Ruhrbarone ohne große Planungs- oder Haftungsverantwortung machen lässt, während die betroffenen Gemeinden und Anwohner weitgehend außen vor bleiben.

Gabriels Fracking-Pläne während WM eingestielt?

Doch dann drängte das bergbaufreundliche Bundeswirtschaftsministerium auf einmal so sehr auf eine Neuregelung, dass schon befürchtet wurde, Minister Gabriel wolle ein Fracking-Förderungsgesetz durchdrücken – in aller Ruhe während WM und Sommerpause. Und tatsächlich konnte sich die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks knapp vor dem Viertelfinale nicht gegen ihren Parteichef durchsetzen.

Ihre gemeinsamen Eckpunkte sind nichts anderes als ein wachsweicher Formelkompromiss, auf dem Verbot drauf steht, aber viel Förderung drin steckt. Der Druck von Industrie und Frack-Befürwortern wie EU-Kommissar Oettinger und dem CSU-Wirtschaftspolitiker Ramsauer waren offenbar zu hoch. Wieder einmal hat sich die Bergbau-Lobby in beiden Volksparteien durchgesetzt: Für den schnellen Profit weniger Unternehmen werden wie im 19. Jahrhundert sehenden Auges erhebliche Nebenwirkungen und Langzeitrisiken auf Umwelt, Anwohner und letztlich den Steuerzahler abgewälzt – im Widerspruch zu zeitgemäßen Beteiligungs-, Haftungs- und Umweltstandards in anderen Rechtsbereichen.

Die Verbots-„Eckpunkten“ lassen viele Schlupflöcher

Denn entgegen kritischer Parteistimmen, wie dem Umweltforum der Nord-SPD, wollen die beiden Minister und auch die schleswig-holsteinische Energiepolitikerin Nina Scheer nicht nur Fracking für sogenanntes Tight Gas erlauben, sondern dabei sogar wassergefährdende Stoffe zulassen. Aber auch aus solchen Tiefschichten können die immensen Frack-Rückstände des „konventionellen“ Frackings nach oben und damit in Nähe unseres Trinkwassers gelangen. Gäbe es wirklich ein sauberes Fracking ohne jedes Risiko, dann müssten Gabriel und Co. nicht eigens für Trinkwasser- und Umweltschutzgebiete ein völliges Verbot in Aussicht stellen.

Zugleich wollen sie also im Umkehrschluss im restlichen Deutschland Fracking größtenteils erlauben. Dann wären jedoch selbst die wenigen vermeintlich frack-geschützten Inseln, wie zum Beispiel das ebenso wertvolle wie sensible Billetal mit der Bismarck-Quelle, noch lange nicht sicher: Kontaminiertes Frack-Wasser kann mit der Zeit schließlich nicht nur nach oben steigen, sondern auch in geschützte Ausnahmegebiete reichen.

Und wer Fracking ernsthaft verhindern will, braucht keine Forschungsprojekte. Doch hier lassen Gabriel und Hendricks bewusst eine weitere Möglichkeit offen, um das angebliche Verbot sogar für die so umstrittene und aus Nordamerika bekannte Schiefergasförderung wieder zu kippen. Sie haben dafür sogar ein Datum im Auge: 2021 – dann sollen selbst diese minimalen Restriktionen wieder auf den Prüfstand kommen.

Grüne fordern konsequente Bergrechtsreform

Wir Grüne erwarten von den beiden Ministern endlich eine Regelung, die Fracking in Deutschland verhindert. Während die Bundesregierung dem Fracking nun also zahlreiche Hintertüren öffnen will, haben wir Grüne einen eindeutigen Beschluss gegen Fracking in Deutschland gefasst. Es braucht eine politisch-rechtliche Grundsatzklärung im Bergrecht, wie es die Landesumweltminister und eigentlich auch die Bundesumweltministerin kürzlich beschlossen haben. Fracking muss in einer konsequenten Reform rechtsfest untersagt werden. Anwohnerschaft und Gemeinden sind nach klaren Prinzipien und mit gestärkten Rechten in transparenten Verfahren zu beteiligen, wie die grünen Vorschläge konkret aufzeigen. Ein paar kosmetische Fracking-Ausnahmen reichen da nicht, wie der erst in letzter Minute abgewendete Kiesabbau im Billetal bei Grande zeigt.

Union und SPD sollten erkennen: Anstatt die Energiewende auszubremsen, braucht es mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energiegewinnung, um von unsicheren Energieimporten und schmutzigen Risikotechnologien dauerhaft unabhängig zu werden – das führt die Ukraine-Krise gerade noch einmal schmerzhaft vor Augen.