Der Bundestag debattierte eine weitere Verschärfung im Asylverfahren und Aufenthaltsrecht. Konstantin begründete für die grüne Fraktion die Ablehnung des sogenannten Asylpakets II: „Es ist verfassungswidrig, populistisch und geht an den wirklichen Problemen vorbei.“ Familiennachzug aussetzen, Leistungen kürzen, keine Beschleunigung des Asylverfahrens das entspricht nicht den Anforderungen an eine seriöse, verantwortungsvolle und ernste Debatte, die jetzt notwendig wäre.

Hier könnt Ihr Konstantins Rede anschauen und nachlesen (156. Sitzung vom 19. Februar, TOP 17), ZP 5/6):

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind zweifellos ernste und herausfordernde Zeiten für unsere Gesellschaft, für Europa und für unsere Demokratie. Krieg und Not in der Welt lassen so viele Menschen flüchten wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Von diesen Geflüchteten kommt ein Teil nach Europa und auch zu uns nach Deutschland. Die Herausforderungen sind gigantisch.

Das verlangt von uns im Deutschen Bundestag eine seriöse, verantwortungsvolle und ernsthafte Debatte. Das, was heute vorliegt, das sogenannte Asylpaket II, entspricht erneut diesen Anforderungen leider nicht. Deswegen werden wir es ablehnen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Längst wissen wir doch, was es dringend zu tun gäbe. Wir brauchen schnellere Asylverfahren, eine Stärkung der Haupt- und Ehrenamtlichen und eine entschlossene Bekämpfung der Fluchtursachen. Und vor allen Dingen brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Integration mit Wort und Tat. Letzteres vermisst man heute ganz besonders, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mit diesem überhastet erarbeiteten und sowohl parlamentarisch als auch mit den Verbänden vollkommen ungenügend beratenen Entwurf kommen wir nicht weiter. Er ist aller Voraussicht nach verfassungswidrig, geht an den tatsächlichen Problemen vorbei und leistet Populismus und Ressentiments Vorschub.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Während die Bundeskanzlerin – wie auch gerade heute wieder – echte Lösungen sucht, ergehen Sie sich seit Monaten in Scheindebatten um Obergrenzen, Grenzschließungen, Verabschiedungskultur, vermeintlich sichere Herkunftsländer und, ganz neu im Programm, nationale Abschiebepläne.

Der Familiennachzug nach frühestens zwei Jahren fügt sich nahtlos ein. Dieses Vorgehen wird noch mehr Frauen und Kinder auf die Schlauchboote treiben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Das ist Ihr Verständnis vom Schutz der Familie. Das ist Ihr Bild, wie man der Familie mit Achtung begegnet. Ich sage Ihnen: Es ist zynisch und schäbig, dass Sie das so machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mit einer Verschärfung der Residenzpflicht bürokratisieren Sie weiter. Zusätzlich erleichtern Sie die Abschiebung von kranken und schwerkranken Flüchtlingen. Dabei nehmen Sie billigend in Kauf, dass traumatisierte Menschen, zum Beispiel Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden, schutzlos gestellt werden. Das ist weder human, noch ist es christlich. Ich empfehle die Tageslosung vom heutigen Tag. Es ist Populismus, und es ist hilflos sowie kontraproduktiv, und wir lehnen es aufs Schärfste ab, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei den weiteren Einschränkungen der Leistungen für Asylsuchende ignorieren Sie erneut die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dabei wissen Sie – so sagt es das Bundesverfassungsgericht –: Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht relativierbar. Schließlich versagen Sie beim ausreichenden Schutz für Kinder, Jugendliche, Frauen und andere Personengruppen mit erhöhtem Diskriminierungsrisiko. Der eigens von der Bundesregierung Beauftragte mahnt dies so verzweifelt wie erfolglos an. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist eigentlich, liebe SPD, mit den versprochenen Verbesserungen des letzten Pakets, gerade noch einmal von Sigmar Gabriel öffentlich zugesagt? Wo befinden sie sich? Nicht in diesem Paket! Klar ist doch: Menschen, die über Jahre fliehen, alles zurücklassen und ihr Leben vielfach riskieren, entscheiden sich bestimmt nicht, umzukehren, wenn sie für einen Sprachkurs, der nach Ihren Worten, Herr Innenminister, oft gar nicht angeboten werden kann, zukünftig 10 Euro mehr zahlen müssen. Das ist naive, träumerische, realitätsferne Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusätzlich legen Sie heute einen Gesetzentwurf vor – im Ministerium bezeichnenderweise Köln-Gesetz genannt –, mit dem Sie lediglich suggerieren, dass Sie zukünftig mehr und schneller abschieben. Faktisch ist eine Abschiebung oft aber gar nicht möglich, weil zum Beispiel die Herkunftsstaaten nicht kooperieren und keine Papiere ausstellen. Das wissen Sie, trauen sich aber nicht, eine offene und ehrliche Debatte hierüber zu führen.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Stattdessen Abschiebepopulismus und komplettes Irrlichtern, leider besonders bei der CSU, Herr Mayer! Jetzt wird es traurig: Orban und Putin, das sind nun die politischen Partner bzw. Koalitionspartner der CSU. Die eigene Bundeskanzlerin, die eigene Regierung inklusive Ihrer CSU-Minister, das ist die Herrschaft des Unrechts. Das ist die Welt des Horst Seehofer im Jahr 2016. Der unlängst verstorbene Helmut Schmidt hat gesagt: „In der Krise beweist sich der Charakter.“ Die Flüchtlingskrise hat diesen Effekt im Guten wie im Schlechten. Wir erleben bis heute eine unfassbare Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber den zu uns Kommenden. Aber das, was die CSU hier seit Monaten abliefert, ist zum Schämen, und es ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten in diesem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Statt sich weiterhin in Scheindebatten und im wahrsten Sinne des Wortes in brandgefährlichem Populismus zu ergehen, lassen Sie uns gemeinsam an tatsächlichen Lösungen arbeiten. Herr Innenminister, wir bieten Ihnen das wirklich an. Lassen Sie uns Integration gestalten! Wir haben immer wieder Vorschläge gemacht. Lassen Sie uns gemeinsam mit der Kanzlerin für Europa kämpfen, bevor es zu spät ist. Wenn Sie dafür bereit sind, dann sind wir an Ihrer Seite. Bis dahin sind wir es aber nicht.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)