Während in Dänemark mit den ersten Spatenstichen bereits eilig Fakten geschaffen werden, gibt auf deutscher Seite Minister Dobrindt nun erstmals jahrelange Verzögerungen zu. Wenn der Belt-Tunnel eines Tages kommen sollte, müssten so LKWs und Güterzüge durchs malerische Ostholstein geschleust werden. Die Reihen der Tunnelbefürworter lichten sich derweil.

Weil auf deutscher Seite das Planungschaos immer konkreter wird, sorgen die optimistischen Erfolgsversprechungen der dänischen Projektbauer bei ostholsteinischen Anwohnern, aber auch bei den verantwortlichen Verkehrsplanern für mehr und mehr Sorgenfalten: Die Kosten der deutschen Hinterlandanbindung explodieren weiter. Fehmarnsund, Ostseebäder-Umfahrung und der Hamburger Bahnknoten werden so nur noch schneller zu Nadelöhren, deren Lärm- und Stauwirkung auf Jahre in die ganze Region ausstrahlen könnte.

Sehenden Auges ins Nadelöhr am Fehmarnsund

Am drastischsten trifft das wohl auf die Querung zwischen Festland und der Insel Fehmarn zu: „Um von einer Insel einen Tunnel bauen zu können, muss man erst einmal auf die Insel kommen“, hielt ich vor Jahren schon den schwarz-gelb-roten Tunnelfreunden im Bundestag vor. Doch sehenden Auges rauschte man lieber ins Nadelöhr – die zu kleine und baufällige Fehmarnsundbrücke hätte schließlich die Mär „vom Tunnel, der uns nichts kostet“ von vornherein verdorben. Spät, aber umso heftiger wird nun unter harschem Spardruck um eine machbare Lösung gerungen. Ob auch hier ein teurer Tunnel oder gar der Schildbürgerstreich dreier Brücken kommen wird, der vermeidbare Ärger ist auf Jahre garantiert. Ohne den Belttunnel wäre die schlichte Sanierung des denkmalgeschützten Wahrzeichens „Kleiderbügel“ vergleichsweise leicht und günstig zu haben.

Nach Minister-Geständnis: Hinterlandanbindung wird zur Quadratur des Kreises

Schon Anfang November deutete die Deutsche Bahn an, dass die im Raumordnungsverfahren entwickelte Umfahrung der Ostseebäder zahlreiche Probleme birgt. Eine neue Trasse durch geschützte Gebiete träfe nun eben andere Ortsteile, Landwirte und geschützte Arten. Anhaltende Rechtsstreitigkeiten, Umplanungen und Ausgleichsmaßnahmen drohen: Der Neubau fräße nicht nur mehr Fläche, sondern sicher noch mehr Zeit und Steuergelder.

Mitte Januar ließ der Bundesverkehrsminister endlich – und wie von uns seit Jahren gefordert – die Katze aus dem Sack: In einem Brief an seinen dänischen Ministerkollegen beichtete er für die deutsche Hinterlandanbindung „einen Nachlauf von mehreren Jahren“; sprich auf lange Zeit würde es in Ostholstein zum verkehrspolitischen Kollaps kommen.

Damit sind die Ostseebäder weiterhin nicht vor mehr Verkehr und Bahnlärm auf der Bestandstrasse sicher. Hier soll ein „Letter of Intent“ zwar für eine güterzugfreie Zukunft garantieren. Doch andernorts können lärmgeplagte Gemeinden von leeren Bahn-Versprechungen ein Lied singen.

Eilig verspricht der CSU-Minister nun höchste Priorität für den Norden. Aber auch bei noch so großen Bemühungen wird dies kaum gelingen: Schon im Raumordnungsverfahren zeichneten sich gleich mehrere Dilemmata zwischen Anwohnerbelangen, Naturschutz und einer raschen wie rechtsfesten Planung ab. Eine raumverträgliche wie auch pünktliche und dazu noch bezahlbare Hinterlandanbindung gleicht damit weiterhin der Quadratur des Kreises. Die Bundesregierung muss daher endlich die richtigen Konsequenzen aus den verkehrsökonomischen Realitäten am Fehmarnbelt ziehen und dringend in Neuverhandlungen über den Querungsbau treten.

Befürworter zanken sich um Verantwortung

Wer nun endlich Einsicht aufgrund des eingestandenen Planungsdesasters erwartet, wird von der Großen Koalition enttäuscht. SPD und Union werfen derweil lieber mit wechselseitigen Schuldzuweisungen um sich. So kritisieren SPD-vertreter den CSU-Verkehrsminister für seine autofixierte Vernachlässigung von Bahnprojekten, während Ostholsteins CDU-MdB Ingo Gädechens weit in die Vergangenheit schaut, um dem seinerzeitigen SPD-Minister Tiefensee den vermurksten Staatsvertrag vorzuhalten. Fakt aber ist, dass unter Angela Merkel zwei Große Koalitionen und auch die Schwarz-Gelb das Projekt gegen alle einschlägigen Warnungen durchgepeitscht haben. Umso grotesker ist es nun, wenn Schleswig-Holsteins CDU just den Tunnelkritikern vorwirft, sie hätten all die Verzögerungen bewirkt.

Statt Ablenkungsmanövern in der Presse sollte die Große Koalition lieber konkrete Schritte im Parlament vollführen: Daher werden wir Grüne im Bundestag erneut einen Antrag vorlegen, der eine umfassende Neubewertung des Projekts sowie eine Nachverhandlung des Staatsvertrags fordert – mal schauen, was Schwarz-Rot dazu einfällt.

Schöne Zahlen mit wenig Substanz

Schließlich warnen Rechnungsprüfer und Verkehrsexperten einhellig seit Jahren vor einem sinnlosen Prestigeprojekt, das der Region außer Milliardenkosten und viel Lärm wenig bringen wird: Eine feste Querung ist nicht nur umweltschädlich, sie macht auch volkswirtschaftlich schlichtweg keinen Sinn.

Das zeigt der kritische Blick auf die aktualisierten Zahlen: Kopenhagen muss mit steuerlichen Begünstigungen und noch mehr Brüsseler Subventionen nachschießen, um eine abermalige Kostensteigerung schönzurechnen. Auch die Mitte Januar vorgelegte Wirtschaftlichkeitsanalyse reduzierte die ursprüngliche Prognose um ein Sechstel und damit nur noch auf einen Prozentpunkt über der Wirtschaftlichkeitsschwelle. Dabei ignorieren die neuen Nutzerzahlen sogar noch immer geflissentlich gegenläufige Tendenzen wie alternative Routen und Konkurrenzverkehre.

Und selbst wenn all die schönen Beltvisionen in ferner Zukunft zuträfen, es gibt in Schleswig-Holstein (und nach Dänemark) schon heute international viel wichtigere, stark baufällige Bestandsstrecken. Während es auf Nordostseekanal oder den Nord-Süd-Verbindungen wochenlang zu Sperrungen kommt, gibt es auf dem Fehmarnbelt eine funktionierende und nachhaltige Fährverbindung. Eine verkehrspolitische Priorisierung ist hier ein Gebot der Vernunft.

Je größer die Probleme, desto bunter die Versprechungen

Ganz andere, weitaus rosigere Visionen werden demgegenüber auf immer neuen Werbeveranstaltungen beidseits des Fehmarnbelts (weich-)gezeichnet. Teils mit öffentlichen Mitteln wird hier ein aufwendiger Veranstaltungsreigen aufgezogen, der die Zweifler wohl nicht überzeugen, aber an den Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken soll. Es scheint fast: Je größer die Probleme, desto bunter geraten die Werbeaktionen für den Belttunnel.

Denn die Nervosität unter den Planern steigt. Mit dem überstürzten dänischen Baubeginn sollen Fakten geschaffen werden, um auch noch so triftige Einwände im weiteren Planfeststellungsverfahren auszuspielen. Das Signal ist unmissverständlich: „Was auch immer dagegen spricht, Augen zu und durch, wir bauen trotzdem!“

Keine Frage, es braucht mehr Zusammenarbeit über Belt und Ostsee hinweg. Dies erreicht man aber nicht durch das Schaffen eines Milliardengrabs am Belt. Die knappen Mittel sollten besser in Erhalt und Vernetzung bestehender nordeuropäischer Verbindungen gesteckt werden. Denn dieses Megaprojekt würde auf lange Zeit ein Großteil der knappen Bundesmittel für Schleswig-Holsteins Infrastruktur auffressen – für den dringenden Erhalt anderer Bahnstrecken, Brücken oder Bundesstraßen zwischen Lauenburg und Flensburg kämen so noch weniger Gelder aus Berlin an. Statt eines unnützen Prestigeprojekts braucht es ein realistisches Gesamtkonzept für den gezielten Erhalt und eine kluge Vernetzung der Infrastruktur im norddeutschen Raum.