Über 120 Gäste – unser Grünes Büro war Anfang April bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Denn nach Wolfssichtungen und Schafsrissen schlugen die Emotionen in der Region hoch – von der Freude über ein Stück „wildere“ Natur bis zu uralten Ängsten. So lud ich alle Seiten ein: Schäfer, Jäger, Naturschützer und Anwohner. Auch wenn in der angeregten, aber fairen Debatte die alten Konfliktlinien nicht ganz verschwanden – mitunter waren sich die Fachleute überraschend einig: Weder mythische Verklärung noch Verteufelung, sondern frühe Aufklärung und rasche Hilfe für betroffene Landwirte sind gefragt.

Denn für mich ist die Rückkehr des Wolfes erst einmal ein Grund zur Freude. Die Artenvielfalt und halbwegs naturbelassene Landschaft ist eine Stärke unserer Region – wenn wir wieder mit ihr zu leben lernen. Darin stimmten auch die eingeladenen Experten, ob Naturschützer, Jäger oder betroffener Schäfer, überein. Allerdings mahnten sie einhellig an, die verbreiteten Ängste ernst zu nehmen, zugleich aber sachlich zu beantworten. „Denn mit dem Wolf ist es eigenartig: Von bissigen Hunden geht eine zigfach höhere Gefahr für Menschen, Weidetiere oder den eigenen Hund aus“, erläuterte NABU-Sprecher Fritz Heydemann. Das rechnete Jens Matzen vom Wolfsinformationszentrum Schleswig-Holstein noch einmal minutiös vor und stellte klar: „Wir behalten alle Fälle genau im Auge. Die ‚Bengeltruppe‘ der Jungtiere, die sich wohl auf einem Truppenübungsplatz an Nahrungsmittel und den Menschen gewöhnt hat, ist eine Ausnahme und selbst die sollten wir nicht dramatisieren.“ Auch ein Wolf, der keine natürliche Scheu entwickelt hat, ist nicht automatisch aggressiv. Hier stimmen die entsprechenden Bundesländer gerade ihr weiteres Vorgehen ab.

Wolfsbetreuer und Jäger Dirk Hadenfeldt empfahl nach seiner Begegnung mit dem Einzeltier aus diesem Rudel: „Sollte es bei aller Unwahrscheinlichkeit doch dazu kommen, Ruhe bewahren, sich groß machen und langsam zurück ziehen.“ Hunde anleinen und nichts Essbares im Wald liegen lassen sind weitere Grundregeln.

Wie viel Aufklärung es hier noch bedarf, zeigten die zahlreichen Nachfragen aus dem Publikum. Sabine Bengtson bietet Naturreisen in Wolfsgebiete an und macht dabei sehr positive Erfahrungen. Eine offene und sachliche Auseinandersetzung verändert dabei viel: „Wir dürfen Wölfe weder romantisieren noch verteufeln, sondern müssen mit ihnen richtig umgehen. Das ist auch eine Chance für ein besseres Naturverständnis und einen nachhaltigen Tourismus in der Region. Schließlich gehen auch die Menschen in der Lausitz oder Polen weiter spazieren und Pilze sammeln.“ Seltene Begegnungen und manch gerissenes Tier gehören schlichtweg dazu – sie werden aber trotz des gesetzlichen Schutzes für den Wolf nicht dramatisch zunehmen. Dafür brauchen die Tiere zu viel Platz und sterben zu oft auf der Straße im dicht besiedelten Schleswig-Holstein.

Nachdem das Land den Kreis zum Wolfsgebiet erklärt hat, gibt es im Schadensfall jedoch relativ einfach und rasch Entschädigungen und Hilfen für Schutzmaßnahmen, wie mein grüner Kollege Burkhard Peters aus dem Landtag erklärte. Mittlerweile unterstützt Kiel das Wolfs-Monitoring mit mehr Mitteln und setzt sich für noch bessere Entschädigungen ein, die zugleich nicht gegen EU-Beihilferegeln verstoßen. Am Diskussionsabend blieb jedenfalls der betroffene Bio-Schäfer Rudolf Walch vom Lämmerhof Panten gelassen: „Als Schäfer lebe ich von und in der Natur. Nach den Rissen haben wir dazu gelernt. Allgemein geht mehr Gefahr von Raubtieren aus, seien es Hunde, Marder oder Krähen. Das ist kein Grund zur Hysterie, wenn wir damit richtig umgehen und unterstützt werden.“

Mein abschließendes Fazit zur intensiven, aber fairen Diskussion: Wir werden weiter offen, aber ruhig auf die Sorgen aller Seiten eingehen. Viel Vermittlung ist sicherlich noch nötig, das zeigen die kritischen Fragen von Bauern, Eltern und Waldkindergärten. Ein positiver aber unverklärter Umgang mit unserer Natur ist gerade für uns Grüne eine wichtige Aufgabe vor Ort. Dieser Abend hat gezeigt, dass es mit einem solchen Dialog durchaus gelingen kann.