Es sind rund zwei Monate seit dem furchtbaren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz und dem Tod von zwölf Menschen vergangen und die Aufklärung im Bund lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Wir haben umfangreiche Kleine Anfragen, schriftliche Fragen und mündliche Fragen gestellt und im Innenausschuss immer wieder auf Klarheit gedrängt, aber der Bundesregierung ist an einer wirklichen öffentlichen Aufklärung des Falles offenbar nicht gelegen. Insbesondere immer lauter werdende Fragen nach den Versäumnissen von Bundesbehörden oder dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem Bundeskriminalamt wird ausgewichen.
INNENAUSSCHUSS-SONDERSITZUNG KANN OFFENE FRAGEN NICHT KLÄREN
Am 13. Februar tagte der Innenausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung zum Fall Amri. Geladen waren eine Vielzahl von Behördenvertretern aus dem Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Berlin, wo sich Amri schwerpunktmäßig aufhielt. Fünf Stunden lang befragten die Abgeordneten die vielen Vertreter von Polizei, Justiz und Nachrichtendiensten.
Aber es zeigte sich abermals, dass der Fall Amri nicht nur zu komplex für eine Sondersitzung im Schnellverfahren mit sehr vielen Beteiligten ist. Es wurde auch wieder einmal klar, dass die große Koalition sich lieber mit parteipolitischen Auseinandersetzungen und Schuldzuweisungen an die jeweiligen Innenminister der Länder aufhält, anstatt die Aufklärung der bisher schlimmsten islamistischen Terroranschläge auf deutschem Boden voranzutreiben.
AUSWEICHENDE ANTWORTEN AUF JEDER EBENE
Seit dem Anschlag haben wir die Aufklärung immer wieder aktiv vorangetrieben: Wir haben in einer Kleine Anfrage einen detaillierten Fragenkatalog zum Fall Amri an die Bundesregierung geschickt, die Fragestunde im Bundestagsplenum jede Woche intensiv zur Befragung der Bundesregierung genutzt und rund ein Dutzend schriftlicher Fragen an die Bundesregierung gerichtet.
Alle unsere daraus gewonnen Erkenntnisse stellen klar, dass dringend weiterer Aufklärungsbedarf besteht – insbesondere zur Rolle deutscher Geheimdienste im Fall Amri. Denn bislang wurden wir nur bruchstückhaft und widersprüchlich darüber informiert, ob die Nachrichtendienste in dem Fall nicht eine viel größere Rolle spielten als bislang bekannt. Der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz wussten offensichtlich mehr über Amri als von der Bundesregierung bislang zugegeben.
BUND TRÄGT MINDESTENS MITVERANTWORTUNG
Die Bundesregierung schiebt die Verantwortung für die Beobachtung Amris strikt weiter auf die Bundesländer trotz des klar länderübergreifenden Sachverhalts nach dem eigentlich die Sicherheitsbehörden des Bundes zuständig gewesen wären. Amri reiste andauernd von Berlin nach Nordrhein-Westfalen und zurück und wurde in Baden-Württemberg durch die Bundespolizei aufgegriffen. Außerdem spielten durchgehend Informationen und Kontakte in viele andere Länder eine Rolle, zum Beispiel nach Marokko, Tunesien, Libyen, Italien und die Schweiz.
JETZT BRAUCHEN WIR ALLE AKTEN ZU AMRI
Eine weitere Streckung des Aufklärungsprozesses ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar; auch nicht durch Verweis auf die Arbeit der „Task Force“ im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf eine transparente Aufarbeitung.
Die Sondersitzung des Innenausschusses hat verdeutlicht, dass eine Aufarbeitung der Causa Amri ohne Kenntnis der einschlägigen Akten nicht zielführend ist. Um endlich die Aufklärung in der gebotenen Tiefe fortführen zu können, haben wir nun beim Innenausschuss die Beiziehung aller Akten aus Bund und Ländern beantragt.
Nur durch das Studium der Akten von Verfassungsschutz, Polizei, Justiz und Ausländerbehörden wird sich feststellen lassen, wer die politische und institutionelle Verantwortung trägt und welche Schlüsse für die Sicherheitsarchitektur unseres Landes zu ziehen sind.