Autor*innenpapier von Irene Mihalic & Konstantin von Notz
Der grausame islamistische Anschlag von Solingen hat uns erneut die Verwundbarkeit unserer freiheitlichen Gesellschaft schmerzhaft vor Augen geführt. Es ist an der Zeit, den Menschen in unserem Land angesichts der multiplen Bedrohungen dieser Zeit ein neues Sicherheitsversprechen zu machen.
Es ist an der Zeit, dass die demokratischen Parteien in Deutschland gemeinsam und konstruktiv einen Reformprozess beginnen, mit dem Ziel einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu entwickeln, wie wir sicher und frei in unserem Land im Herzen Europas zusammenleben wollen.
Nach dem Ende jahrzehntelanger Ost-West-Konfrontation und des Kalten Krieges hofften viele auf ein „Ende der Geschichte“. Gerade in Deutschland hoffte man nach der Wiedervereinigung auf unanfechtbaren Frieden in Freiheit.
Dieser – aus heutiger Perspektive nachvollziehbare aber eben auch naive, von Wunschdenken geprägte – Ansatz hat dazu geführt, dass man punktuell und anlassbezogen den Fokus jeweils auf einen Phänomenbereich gelenkt hat, unter Preisgabe anderer Bereiche. Nach der Wiedervereinigung hat man, um die Friedensdividende einzufahren, einen Großteil der Stellen bei der Spionageabwehr gestrichen, ignorierend, dass Staaten wie Russland ihre Aktivitäten beinahe unverändert fortgesetzt haben.
Investitionen in die Sicherheit unseres Landes und damit auch in die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats wurden sträflich vernachlässigt. Das war mitursachlich dafür, dass man vielen Sicherheitsthemen jahrelang hinterherhächeln musste, erst beim Islamismus, dann beim Rechtsterrorismus und bei den so genannten „Reichsbürgern“. Aber besonders jetzt, wo alle diese Themen kulminieren, mit staatlichen IT-Angriffen, breiten Desinformationskampagnen und der gezielten Destabilisierung unseres Staates, rächt es sich besonders bitter. Dennoch bleiben sicherheitspolitisch durchtragende Antworten bis heute weitgehend aus.
Extrem ernstzunehmende sicherheitspolitische Bedrohungen, beispielsweise durch autoritäre Staaten, die Spionage- und weitreichende Einflussoperationen nie wirklich einstellten, aber auch durch Extremisten und Terroristen, wurden und werden noch immer nicht ernst genug genommen. Vielmehr wurden immer wieder zahlreiche Schwächen unserer „wehrhaften Demokratie“ offenbar, zum Beispiel das oft ineffektive Zusammenspiel verschiedener Behörden auf Landes- und Bundesebene, das als zentrales Defizit bei der Aufklärung des dschihadistischen Anschlags vom Berliner Breitscheidplatz identifiziert wurde.
Diese Versäumnisse haben autoritäre Staaten, aber auch Extremisten immer wieder genutzt, um unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie anzugreifen. Schreckliche Taten wie der dschihadistische Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz, aber auch andere Terroranschläge und zunehmende Einflussoperationen autokratischer Regime sind die direkte Folge dieser sicherheitspolitischen Naivität und Ignoranz. Es hat sich längst eine unheilvolle Melange und Allianz der Demokratieverächter gebildet, die zu einer ernstzunehmenden sicherheitspolitischen Bedrohung geworden ist – den Fortbestand unserer Demokratie wie wir sie heute kennen, offen in Frage stellt und ihn tatsächlich sehr real gefährdet.
Für diese krassen sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen – und justierungen sind alle Fraktionen im Bundestag, die seither Bundesregierungen getragen haben, mitverantwortlich. Für die Außenpolitik sind die negativen Folgen dieses Wunschdenkens spätestens seit dem 24. Februar 2022 seitens der aktuellen Bundesregierung erkannt und angegangen worden. Die „Zeitenwende“ wurde im militärischen Bereich nicht nur ausgerufen, sondern auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln unterfüttert. Das muss aus unserer Sicht fortgeführt und verstärkt werden. Für die Innenpolitik wurde die Zeitenwende noch nicht nachvollzogen. Das wundert nicht nur angesichts täglicher neuer Schreckensmeldungen. Mit Blick auf die anhaltenden Defizite in der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie muss sich das schnellstmöglich ändern. Es ist an der Zeit die „Zeitenwende“ auch im Innern entschlossen umzusetzen.
Das gilt gerade im Lichte der Erkenntnis, dass innere und äußere Sicherheit längst eng miteinander verwoben sind und wir schnellstmöglich ein integriertes Sicherheitsverständnis entwickeln und verfolgen müssen.
Aus gutem Grund hat das Auswärtige Amt die Federführung innerhalb der Bundesregierung bei der Erarbeitung einer „Nationalen Sicherheitsstrategie“ übernommen, die Themen wie das zunehmend aggressive Auftreten verschiedener autoritärer Staaten und hybride Bedrohungen mit ihren gravierenden Auswirkungen auch auf unsere Innere Sicherheit adressiert. Doch immer dort, wo es politisch konkret wird, wo es gilt, längst bekannte Defizite abzustellen, dauert die Umsetzung längst vereinbarter Vorhaben noch viel zu lang. Das gilt für den dringend notwendigen Schutz unserer kritischen Infrastrukturen, den Lebensadern unserer Gesellschaft genauso wie für die Neuaufstellung der Spionageabwehr oder Schlagkräftigkeit unserer Sicherheitsbehörden insgesamt. Das betrifft sowohl die Erkennung hybrider Bedrohungen auf exekutiver Seite, als auch die überfälligen Reformen im Nachrichtendienstrecht.
Dies liegt auch an einem Innenministerium, das noch immer eine klassische, heute in weiten Teilen veraltete Sicherheitspolitik verfolgt, die sich viel zu sehr in Symboldebatten verfängt, statt auf längst offenbar gewordene, große sicherheitspolitische Defizite durchtragende Antworten zu liefern, um Sicherheit effektiv zu erhöhen. Es ist an der Zeit, dass endlich verinnerlicht wird, dass es Sicherheit nicht zum Nulltarif gibt und der Schutz unseres Rechtsstaats und unserer Demokratie Geld kostet.
Jedoch bringt auch die Opposition das System zusätzlich unter Druck, statt dabei zu helfen es konsequent auf die neuen Herausforderungen auszurichten und überfällige Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz unserer Demokratie als Demokratinnen und Demokraten entschlossen gemeinsam anzugehen. Statt nach jeder schweren Straftat wenig zielführende, allzu reflexhafte Diskussionen ohne echten sicherheitspolitischen Mehrwert zu führen, sagen wir klar: Es ist an der Zeit für einen Schulterschluss aller Demokratinnen und Demokraten und einen echten Pakt für die Stärkung der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie sowie ihren Schutz vor Bedrohungen von innen wie außen.
Folgende Maßnahmen schlagen wir als Gesprächsgrundlage vor:
- Basisinvestition für die Innere Sicherheit: Damit wir den aktuellen Gefahren nicht immer nur hinterherlaufen, sondern denjenigen, die unsere Demokratie und unsere Gesellschaft bedrohen, mindestens auf Augenhöhe begegnen können, braucht es sowohl gut ausgebildetes Personal als auch die notwendige technische Ausstattung. Bund und Länder sollen in einem gemeinsamen Prozess die Höhe der Summe ermitteln, die für eine solche sicherheitspolitische Basisinvestition nötig ist und einen Weg der Entscheidungsfindung darüber vorschlagen. Wir bedauern sehr, dass es vor zwei Jahren nicht wie von uns vorgeschlagen analog zur Bundeswehr ein Sondervermögen für die Innere Sicherheit beschlossen wurde. Eine Basisinvestition könnte je nach Ausgestaltung dazu geeignet sein, dieses Versäumnis aufzuarbeiten.
- Update der föderalen Sicherheitsarchitektur: Die Sicherheitsbehörden haben in den letzten Jahren vieles geleistet, um sich besser auf die Herausforderungen der Zeit einzustellen, aber die Regierungen – vor allem die Innenminister*innen – in Bund und Ländern haben bisher zu wenig für eine föderale Zusammenarbeit aus einem Guss getan. Durch dieses Nichthandeln entstehen ineffektive und teils gefährliche Doppel- und Gar-Nicht-Strukturen/Zuständigkeiten, die den Feinden unserer Demokratie zu viele Lücken und Gestaltungsräume eröffnen. Die föderale Sicherheitsarchitektur braucht ein Update. Die Aufgaben der Sicherheitsbehörden in Bund und Land müssen besser verschränkt werden. Hierbei wird auch weiterhin über notwendige Grundgesetzänderungen, beispielsweise mit Blick auf Zuständigkeiten des BSIs im Digitalen, zu sprechen sein. Friedrich Merz muss seine Blockade endlich aufgeben. Auch ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit in den zahlreichen Gemeinsamen Zentren weiterhin dringend notwendig. Dies ist auch eine Lehre der Aufklärung des Anschlags vom Breitscheidplatz. Generell können wir uns deshalb vorstellen, Innere Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu definieren. Wir sind offen, darüber mit den anderen Parteien ins Gespräch zu kommen. Damit könnten wir u.a. folgende Maßnahmen für Bund und Länder optimal gestalten:
- Bundeseinheitliches Gefahrenabwehrrecht: Für bestimmte Deliktsfelder im Bereich der Schwerkriminalität, der Staatsschutzdelikte und des Terrorismus ist es nötig, die Durchführung bestimmter polizeilicher Maßnahmen, z.B. Observationen, bundesländerübergreifend wesentlich leichter zu ermöglichen. Dabei kann die Schaffung spezieller Rechtsgrundlagen hilfreich sein, auf die sich die Polizeien in Bund und Ländern im Einzelfall stützen können, um lange Dienstwege abzukürzen und Brüche zwischen Bundesländern zu vermeiden.
- Polizeien und Nachrichtendienste untereinander besser national und international vernetzen: Ermittlerinnen und Ermittler stehen häufig vor dem Problem, dass sie nötige Informationen anderer Behörden im In- und Ausland heute über sehr lange Dienstwege beschaffen müssen. Das kostet unnötig Zeit, die im Einzelfall Leben kosten und Ermittlungserfolge gefährden kann. Daher schlagen wir die Etablierung von Kontaktbeamten und die Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen vor, damit Informationen auf der Grundlage geltender Übermittlungsvorschriften, aber auf direktem Wege dort eingeholt werden können, wo sie vorhanden sind – damit die Informationen auch direkt dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
- Neue Befugnisse für Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste ergebnisoffen prüfen: Wir verschießen uns der Diskussion um neue Befugnisse der Sicherheitsbehörden nicht, haben diese in der Vergangenheit, beispielsweise mit Blick auf die Verfolgbarkeit von intransparenten Finanzströmen zur Extremismusfinanzierung durch die Nachrichtendienste, auch selbst immer wieder angeregt und eigene, konkrete Forderungen in den parlamentarischen Raum eingebracht. Dass sich neue Befugnisse im Rahmen unserer verfassungsgemäßen Ordnung bewegen müssen und dezidierte Rechtsprechung höchster Gerichte zwingend beachtet werden muss, ist für uns eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit. Neben der Schaffung neuer Befugnisse stellen wir die auf den Prüfstand, die sich als ineffektiv oder gar kontraproduktiv erwiesen haben. Insgesamt müssen wir endlich eine evidenzbasierte Sicherheitspolitik verfolgen, an der es bis heute fehlt.
- Islamisten und andere Feinde unserer Verfassung entschlossen bekämpfen, egal aus welcher Richtung der Angriff kommt. Das bedeutet:
- Null-Toleranz gegenüber Gefährdern: nichtdeutsche Gefährder müssen – so es rechtlich irgendwie möglich ist – konsequent abgeschoben werden. Grundsätzlich gilt: Schwerkriminelle Ausländer, vor allem solche, die Attentate und Anschläge planen, haben jeden Anspruch auf Aufenthalt in unserem Land verwirkt. Abschiebungen müssen entsprechend konsequent durchgeführt, bestehende Hindernisse, wie fehlende Rücknahme-Vereinbarungen mit den Herkunftsländern, aus dem Weg geräumt werden
- Anspruch und Wirklichkeit zusammenbringen – Abschiebungen und Überstellungen entschlossen durchführen: Es darf nicht länger hingenommen werden, dass zehntausende Menschen, die aufgrund vorliegender Voraussetzungen abgeschoben oder überstellt werden könnten, im Land bleiben. Die Menschen erwarten, dass die Politik alle Anstrengungen unternimmt, unsere Gesellschaft so zu entlasten, dass die Strukturen arbeitsfähig bleiben. Die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen und diese Bundesregierung hat sie noch einmal verschärft. Aber der Vollzug ist noch mit zu vielen Mängeln behaftet. Bund und Länder müssen sich gemeinsam anschauen, wie die praktischen Abläufe so effektiviert werden können, dass aus der möglichen eine tatsächliche Abschiebung wird. Auch die Kooperation mit den EU-Mitgliedstaaten muss verbessert werden. Bilaterale Verteilungsabsprachen, um Mitgliedstaaten Anreize zu geben, können wir uns gut vorstellen, z.B. auch wirtschaftlicher Art, damit der Mitgliedstaat Schutzsuchende, für die er zuständig ist, so aufnimmt, dass sie nicht weiterfliehen. Dazu könnte man aus Deutschland im Rahmen von Dublin mit ihnen Absprachen treffen. Zu alledem braucht es mehr Ressourcen u.a. bei den Ausländerbehörden, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie in der Justiz, damit Verfahren beschleunigt und effektiver werden. Dazu braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern. Für die Bleibeberechtigten sind zusätzliche Investitionen in Integration und psychosoziale Betreuung notwendig sowie das Recht, sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen, damit das gesellschaftliche Zusammenleben besser gelingt.
- Dauerhafte stationäre Grenzkontrollen sehen wir – wie die Gewerkschaft der Polizei – skeptisch, weil sie perspektivisch ineffektiv sind und Polizeikräfte dauerhaft binden, die Kriminalitätsschwerpunkten, wie z.B. Bahnhöfen, dringend gebraucht werden. Allerdings können wir uns angesichts der derzeitigen Lage mobile Binnengrenzkontrollen sehr gut vorstellen. Die sind weniger personalintensiv und auch flexibler. Hierzu befürworten wir, dass an den Grenzen zu anderen europäischen Ländern beidseitig gemeinsame grenzpolizeiliche Einheiten patrouillieren. So könnten Migranten und Asylsuchende auf rechtlich zulässige Weise vor der Binnengrenze- aufgehalten werden, damit das Asylverfahren im zuständigen Drittland entsprechend der europäischen Regeln, durchgeführt wird.
- Demokratiefördergesetz jetzt! Auch bei Prävention und Deradikalisierung gibt es für unsere Gesellschaft nichts Teureres als das Sparen und der Verzicht auf grundlegende Investitionen. Wenn wir verfassungsfeindliche Ideologien erfolgreich an der Wurzel bekämpfen wollen, brauchen wir leistungsfähige zivilgesellschaftliche Organisationen, die diesen Kampf an der Basis unserer Gesellschaft aufnehmen. Es ist unwürdig, dass Präventionsprojekte wie „Demokratie leben“ ständig an der Existenzgrenze operieren und eine verlässliche auf Jahre angelegte Präventionsstrategie nicht umgesetzt werden kann. Das muss ein Ende haben! Wir brauchen eine Verständigung aller demokratischer Fraktionen, ideologische Grabenkämpfe zu beenden und die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit nachhaltig zu verstetigen. Nur dann können hier die besten Mitarbeiter*innen gewonnen werden und gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden daran arbeiten, dass unser Land sicher ist. Die schnellstmögliche Vorlage des Demokratiefördergesetzes ist überfällig. Die FDP muss ihre Blockade endlich überwinden!
- BfV als Frühwarnsystem etablieren: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) muss noch stärker als Frühwarnsystem agieren, um Gefährdungspotenziale zu erkennen, bevor Menschen zu Gefährdern werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Präventionsakteuren intensiviert werden. Wir dürfen nicht erst reagieren, wenn es bereits zu spät ist. Polizeien einbeziehen, wenn die Schwelle zur Gefahr überschritten wird.
- Polizeiliche Ermittlungsmöglichkeiten im Internet verbessern: Die Radikalisierung von Menschen vollzieht sich v.a. im Netz. Dort geraten insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene in Kontakt mit radikalen Islamisten und anderen Demokratiefeinden, die sich auf Social-Media-Kanälen treffen und austauschen. Dieser Austausch vollzieht sich teilweise im Verborgenen. Polizeilichen Ermittlern ist es nur mit hohen Hürden gestattet, verdeckt in sozialen Netzwerken zu arbeiten. Diese Hürden wollen wir, da wo es nötig und rechtsstaatlich möglich ist, senken.
- Personalaufstockung prüfen: Das Personal muss aufgestockt werden, wo dies für eine 24/7-Bewachung der Top-Gefährder nötig ist. Bund und Länder müssen hier stärker zusammenarbeiten, beispielsweise mit entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen, damit nicht wieder Terroristen wie Anis Amri durch die weiten Maschen unseres föderalen Netzes fallen. Wenn innere Sicherheit eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern wird, kann auch die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden grundsätzlich verbessert und optimiert werden.
- Verstärkte europäische Zusammenarbeit: Nicht nur zwischen Bundesländern braucht es eine bessere Zusammenarbeit, sondern auch auf europäischer Ebene. Wir machen uns stark für ein europäisches Kriminalamt, das über eigene Ermittlungsteams verfügt und entsprechende zusätzliche Kompetenzen für die Europäische Staatsanwaltschaft. Damit einhergeht die Notwendigkeit einer europaweit abgestimmten Definition des Gefährderbegriffs, damit auf einer gemeinsamen Verständnisgrundlage sicherheitsbehördlich gearbeitet werden kann. Verfassungsfeinde agieren längst international, dieser Herausforderung müssen auch europaweit besser vernetzte und agierende Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste begegnen. Auch haben wir bereits die Idee einer europäischen Nachrichtendienstagentur formuliert, die wir ebenfalls noch einmal zur Diskussion stellen.
- Verfassungsfeindliche Akteure entschlossen verbieten: Das Islamische Zentrum in Hamburg wurde im Juli 2024 endlich geschlossen. Der Verein agiert seit Jahren im Interesse des iranischen Regimes und verbreitet verfassungsfeindliche, antisemitische und antiisraelische Propaganda. Das Bundesinnenministerium muss verfassungsfeindliche Vereine weiterhin konsequent beobachten und bei ausreichend vorliegenden Informationen konsequent handeln. Wir müssen den Angriffen auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und deren Geschäftsmodellen deutlich schneller den Garaus machen.
- Aufklärung vorantreiben: Taten, wie der Anschlag von Solingen müssen genau untersucht werden, um hinterher die richtigen Schlüsse zu ziehen. Speziell der Islamismus lief in den letzten Jahren wieder unter dem Radar und mögliche Strategiewechsel wurden nicht in ausreichendem Maße analysiert. Es muss uns gelingen, die Taten, Unterstützer, Mitwisser und Rahmenbedingungen des Terrors genau zu ermitteln und im Kontext zu begreifen.
- Reform des Waffengesetzes entschlossen umsetzen: Immer noch werden in Deutschland zu viele Menschen ermordet. Ob bei Attentaten und Amokläufen, im häuslichen Bereich oder mit anderen kriminellen Hintergründen: Viele Morde werden mit legal erworbenen Schuss- und Stichwaffen begangen. Es muss unser Ziel sein, den Zugang zu solchen Waffen so strikt wie möglich zu regeln. Gleichzeitig müssen auch illegale Waffen stärker als bisher in den Blick genommen werden. Wir brauchen eine Waffengesetz- Reform mit dem klaren Fokus, die Zahl von Morden und Tötungen zu verringern und die Sicherheit für alle zu erhöhen.
- Den Schutz unserer kritischen Infrastruktur endlich effektivieren: Die Lebensadern unserer Demokratie stehen im Fokus verschiedener autoritärer Staaten. Diese machen auch vor weitreichenden Sabotageaktionen nicht mehr Halt. Ob Gaspipelines, LNG-Terminals oder Unterseekabel – unsere hochsensiblen Infrastrukturen sind derzeit nur unzureichend geschützt. Zahlreiche Angriffe auf kritischen Infrastrukturen und Unternehmen in Deutschland und ganz Europa mahnen echte Handlungen zur Erhöhung der Wehrhaftigkeit unserer Gesellschaft mit Nachdruck an. Die Gewährleistung des Schutzes unserer Infrastrukturen ist eine Kernaufgabe staatlicher Sicherheitsvorsorge. Darauf machen wir als Grüne seit langem vehement aufmerksam. Wir brauchen ein KRITIS-Dachgesetz, das einen einheitlichen Schutz garantiert, eine verbesserte Drohnenabwehr, genauso aber ein gutes Zusammenspiel von Sicherheitsbehörden und Privatwirtschaft im föderalen System. Auch muss der Gefahr der Ausspähung unserer TK-Netze begegnet werden, indem Anbieter aus autoritären Staaten schnellstmöglich aus unseren Telekommunikations-Netzen verbannt werden.
- Plattformregulierung entschlossen vorantreiben: Im digitalen Raum tobt längst ein neuer Informationskrieg. Menschen werden gezielt attackiert, gesellschaftliche Konflikte bewusst verstärkt, Diskurse intransparent verschoben und demokratische Willensbildungsprozesse bis hin zu Wahlen attackiert. All dies dürfen wir nicht länger achselzuckend hinnehmen. Den Weg der rechtsstaatlichen Regulierung müssen wir konsequent fortsetzen, den europäischen Digital Services Act (DSA) entschlossen umsetzen, die zuständigen Aufsichtsbehörden stärken und Betroffene stärken. Demokratische Debattenräume müssen geschützt werden – auch auf Instagram, TikTok, Facebook und Co.. Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden müssen sensibilisiert und besser ausgestattet werden, um die Rechtsdurchsetzung zu effektivieren.
- Desinformations-Aufklärungskampagne starten: Wir brauchen eine breit angelegte und andauernde Aufklärungskampagne, um Desinformationen im Netz wirksam zu bekämpfen und Bürger*innen über drohende Gefahren aufzuklären. Hier können wir von unseren skandinavischen und baltischen Nachbarn viel lernen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als zentrale Säule der freien Meinungsbildung ist dabei ein echtes Pfund. Er muss rechtlich wie finanziell auf einer soliden Grundlage stehen. Wir dürfen außerdem nicht länger zulassen, dass tausende von Bots und Fake-Accounts die sozialen Netzwerke fluten. Hier sind auch die Betreiber weiter gefragt, tätig zu werden und endlich ihrer großen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.
- Den Schutz unserer demokratischen Institutionen ausbauen: Nachdem wir die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller demokratischen Fraktionen erhöht haben, müssen wir auch andere demokratische Institutionen in den Blick nehmen und ihre Wehrhaftigkeit gerade mit Blick auf mögliche Sperrminoritäten nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg in den Blick nehmen.
- Der Organisierten Kriminalität (OK) den Geldhahn abdrehen! Die OK in Deutschland blüht – es geht um Drogenhandel, Geldwäsche und Menschenhandel. Einige Gruppen agieren verdeckt und unauffällig, während insbesondere in Nordrhein-Westfalen aktuell eine Welle an Gewalt zu beobachten ist. Der OK muss der Geldhahn abgedreht – Deutschland darf kein sicherer Hafen für illegale Geschäfte sein. Für die neu geplante Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität müssen wir inhaltliche Befugnisse für die Bekämpfung der Vermögenverschleierung klar gesetzlich regeln. Nachdem die Zuständigkeit für die Bekämpfung von Finanzkriminalität zum Zoll gewandert ist, gab es verschiedene tiefgreifende Mängel in der Arbeitsweise und Geschwindigkeit der FIU – diese Fehler dürfen sich beim Aufbau einer neuen Behörde nicht wiederholen.
- Vollstreckungsoffensive von Haftbefehlen: Wir brauchen eine föderal koordinierte Vollstreckungsoffensive von Haftbefehlen. Schwerkriminelle und Gefährder, gegen die ein Haftbefehl vorliegt und die in Deutschland dennoch freiherumlaufen, müssen priorisiert aus dem Verkehr gezogen werden. Wir können nicht hinnehmen, dass in Deutschland derzeit rund 170000 Haftbefehle nicht vollstreckt sind, gut 14000 davon auf Grund von Gewaltdelikten. Wenn auf schwere Verbrechen keine Strafe folgt, verliert der Staat seine Autorität.
28. August 2024#