Erneut lauten die Überschriften: Am Fehmarnbelt wird alles schwieriger, teurer und später kommen. Ob verschobene Fristen, unsichere Lärmschutz-Kompromisse oder teure Bahnübergänge für die Anrainerkommunen – von einer neuen Sundquerung auf die Insel Fehmarn ganz zu schweigen. Nach jahrelangem Abwiegeln doktern derweil die Verantwortlichen an immer verzwickteren Notlösungen, die freilich vieles eher noch komplizierter machen, anstatt die eigentliche Frage anzugehen: Die immensen Nachteile für die Region und den zweifelhaften Gesamtnutzen des Prestigeprojekts offen und unabhängig zu prüfen. Lieber schieben sie die Probleme auf protestierende Anwohner und Projektkritiker. 

So musste der dänische Verkehrsminister Ende November abermals einräumen, dass die Fertigstellung nun nicht vor 2027 erfolgen wird und damit sechs Jahre nach dem anvisierten Zeitplan. Ob dies das Ende der Fahnenstange ist, darf bezweifelt werden. Dass aufgrund der gestreckten Bauzeit nun die Tunnelkosten um mehr als eine Milliarde Euro sinken sollen, beruhigt da wenig. Denn zum einen handelt es sich um offensichtlich politisch motivierte Zahlenspiele aus intransparenten Verhandlungen mit den Baufirmen: Dass ein Bau nun plötzlich so viel günstiger werden soll, zeigt nur, wie hoch die Kosten zuvor waren. Außerdem ist keineswegs sicher, dass mit dem gestreckten Zeitplan alles günstiger wird. So drohen bereits gewährte EU-Mittel von über einer halben Milliarde Euro zu verfallen – während in der folgenden Förderperiode der Kampf um die Brüsseler Subventionen absehbar härter wird, die Befürworter aber zweckoptimistisch vom höchstmöglichen Fördersatz ausgehen.

Zum anderen macht auch ein günstigerer Tunnel verkehrspolitisch kaum Sinn und ist im Übrigen um kein Dezibel leiser oder umweltschonender. Und in jedem noch so „preisgünstigen“ Falle bleiben die Nachteile für das schleswig-holsteinische Hinterland. Hier verschärfen sich hier sogar noch die planerischen und finanziellen Probleme, je konkreter das Prestigeprojekt durchdacht wird. So eröffnete die regionale Verkehrsgesellschaft nahSH den Bahnreisenden, dass auf der Strecke während der Bauarbeiten mit jahrelangen Ausfällen und Behinderungen im Regionalverkehr aber auch für die Fernverbindungen nach Dänemark zu rechnen sei.

Im Dezember zeigte sich dann, wie SPD und Union das Projekt retten wollen: Weiterhin die Probleme kleinreden und wo das bei bestem Willen nicht mehr geht, diese mit Geld zuschütten, freilich ohne zu wissen, woher man es nehmen soll. Groß kündigten Norbert Brackmann und Bettina Hagedorn einen „Lärmschutz-Kompromiss“ an. Weil die Union im Wahlkreis des Finanzministers einen Extra-Lärmschutz entlang der Rheintalbahn über die üblichen Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit hinaus finanzieren wollte, versuchten die beiden Groko-Verkehrshaushälter aus Schleswig-Holstein diesen Bonus auch für andere transeuropäische Gütermagistralen wie die Fehmarnbelt-Route durchsetzen. Davon versprach man sich u.a. die eigentlich haushaltspolitisch zu teure Sund-Untertunnelung auf die Insel Fehmarn. Doch die milliardenschweren Ausnahmen weckten in der Union so viele weitere Begehrlichkeiten, dass erst Ende Januar ein Formelkompromiss gefunden werden konnte.

Zweifelsohne ist die Aussicht auf mehr Lärmschutz an besonders befahrenen Güterrouten richtig und zunächst eine gute Nachricht für den schlechten Fall, dass die feste Fehmarnbelt-Querung eines fernen Tages tatsächlich kommen sollte. Der einhellige Widerstand und die berechtigten Anwohnersorgen zeigen also eine erste Wirkung: Doch eine Entwarnung für die Region wäre vorschnell und kurzsichtig.

Denn das wochenlange Gefeilsche in der Großen Koalition beweist vor allem eines: Die Umsetzung dieses Beschlusses ist alles andere als sicher. Die nötigen Mittel in Milliardenhöhe müssen erstmal gestellt werden, sonst sind die jetzt gefassten Beschlüsse kaum mehr wert, als das Papier auf dem sie stehen. Es ist nur der Hartnäckigkeit der Bürgerinitiativen zu verdanken, dass sich die Große Koalition überhaupt noch zum verspäteten Kompromiss durchgerungen hat.

Sollte eines Tages tatsächlich der Extra-Lärmschutz kommen – auch die aufwendigsten Maßnahmen werden nichts daran ändern, dass die betroffenen Gemeinden zu Durchfahrtsorten an einer europäischen Gütermagistrale werden: So oder so würde es lauter als heute und das im Schatten immenser Lärmschutzwände, die die Ortsteile durchschneiden.

Was uns zu einem nächsten Problem bringt. Denn mit dem Ausbau der Hinterlandanbindung werden bei Unterführungen usw. zahlreiche Um- und Neubauten nötig – anderswo drohen sonst an Bahnübergängen viele und lange Wartezeiten. Die Deutsche Bahn kann dabei die (von Lärm und Bauarbeiten ohnehin schon gebeutelten) Anrainergemeinden womöglich auch noch zur Kasse bitten. Denn nach Eisenbahnrecht müssen bei einem reinen Ausbau die Kommunen mitzahlen. Nun ist zwischen Vertretern aus der Region und der Bahn strittig, ob es sich dabei auch auf den heute schon bestehenden Streckenabschnitten doch um eine ganz neue transeuropäische Trasse handelt oder nicht und damit, ob die Gemeindekassen angegriffen werden müssen oder nicht.

Vor diesem indirekten, aber gerade für kleinere Orte umso erheblicheren Risiko haben wir immer wieder gewarnt. Die Befürworter in der Großen Koalition hingegen wiegelten seinerzeit ab, Bund, Bahn und Dänemark würden ja schon zahlen. Nun versprechen sie, alles für die Region zu tun. Abermals mit dem Wissen, dass die Chancen dafür alles andere als sicher sind.

Während also die Abgeordneten der Großen Koalition in ihren schleswig-holsteinischen Wahlkreisen mit großen Versprechen um verspätete Notlösungen ringen, halten Union und SPD im Bund unbeirrt am Prestigeprojekt fest. Eben erst wurden zwei Petitionen besorgter Schleswig-Holsteiner mit schwarz-roter Stimmenmehrheit auf Eis gelegt. Als Grüne fordern wir in Bund und Land aufgrund der erheblichen Nachteile für die Region aber auch aus ganz grundlegenden Verkehrs- und umweltpolitischen Bedenken weiterhin die umfassende, unabhängige und ergebnisoffene Überprüfung des Gesamtprojekts und eine breite und ehrliche Debatte all seiner Auswirkungen auf die Region.

Beltretter-Protest nun auch in Stormarn und Lauenburg

Demnächst weiten die Grünen im betroffenen Hinterland einer festen Fehmarnbelt-Querung ihren Protest aus, um die Auswirkungen auf Anwohner, Landwirte und Nahverkehr von Fehmarn bis ins Hamburger Umland aufzuzeigen. Auf einer gemeinsamen Kreismitgliederversammlung diskutieren die Grünen Stormarn und Lauenburg ihren Beitritt zum Beltretter-Protestbündnis – mit Gelegenheit zum Selberbasteln eines der blauen Protestkreuze. 

Mehr Infos hier: von-notz.de/Veranstaltung/gemeinsame-kreismitgliederversammlung-herzogtum-lauenburg-und-stormarn/?instance_id=663